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... und nicht zuletzt die Rezension der Neuen Zürcher Zeitung :
Warnung vor dem Paradies
Italien – eine Gebrauchsanleitung
Es ist riskant, über ein Thema zu schreiben, von dem alle etwas verstehen.
Über Italien kann jeder mitreden, denn alle waren zumindest schon beim
Italiener um die Ecke und haben sich dort mit Urteilen eingedeckt.
Dietmar Polaczek, seit 1981 Kulturkorrespondent der «Frankfurter Allgemeinen
Zeitung» in Italien, weiss das und noch vieles mehr. Über das Land
weiss er mehr als eine mittelgrosse Enzyklopädie, aber das wäre immer
noch weniger als die gesammelten Meinungen aller Chianti-Trinker zusammen.
Was sein «Geliebtes Chaos Italien» zu einem herausragenden Buch unter
den Italien-Fibeln macht, ist der Lebens- und Sprachwitz, mit dem er
die Sympathie zu seiner Wahlheimat ironisch eingrenzt; die Skepsis,
mit der er sein Liebesobjekt traktiert.
Der Autor wendet sich direkt an den Leser bei seiner Führung durch
die Unwirtlichkeiten des südlichen Chaos in allen Lebensbereichen.
Therapeutisch umsichtig schreibt er vor allem für jene Nordländer,
die besonders in Gefahr sind, an akuter Italien-Liebe zu erkranken;
die glauben, dass die Gebiete nördlich von Gotthard und Brenner «zur
menschlichen Besiedlung völlig ungeeignet» sind. Da mit den Regierungen
auch die Moden wechseln und eine Epidemie der Sehnsucht nach dem Süden
nicht auszuschliessen ist, warnt er sachkundig vor den Gebräuchen des
italienischen Immobilienmarktes, auf dass ein jeder prüfe, bevor er
sich an einen Flecken toskanischen Paradieses binde.
Der relative Süden
Die Frage, wo denn genau der Süden beginnt, lässt der Autor klugerweise
offen. Für den Afrikaner Hannibal und seine Elefanten begann er gleich
nach den Schweizer Gletschern; für die Mailänder beginnt er in der
Toskana, für die Toskaner in Rom, für die Römer in Neapel. Italienreisende
aller Zeitalter sinnierten über dieselbe Frage, wenngleich sie aus
den verschiedensten Gründen gekommen waren. Karl der Grosse hatte noch
einen klaren Zweck. Der englische Adel wollte sehen und gesehen werden.
Bei Goethe war das nicht mehr so eindeutig. «Als er reiste, war oft
er, der Reisende, die Sehenswürdigkeit.» Bis heute ahmen ihn seine
Landsleute nach – ganz erfolgreich, denn was sind die mickrigen Rauchwölkchen
des Vesuv im Vergleich zur acrylbunten deutschen Radlerin an seinem
Kraterrand.
Selbst den Eingeweihten muss es verblüffen, welche Fülle von Kuriositäten
Dietmar Polaczek im italienischen Alltag aufspürt und noch als Eigenheiten
erkennt: das abwimmelnde Gehabe des Pförtners, das balzende Schauspiel
der Handy-Benutzer, die intensiven Verhandlungen eines Klempners, all
die schwer entschlüsselbaren Posen zwischen Schein und Überlebenshaltung.
In diesem Land, über das die schönsten Gemeinplätze blühen, wurden
die Geste und das Bonmot zur hohen Kunst gesteigert. Doch in diesem
Land, in dem das soziale Gefälle steiler ist als die Karriere der Briefträger,
gedeiht neben der Kunst auch die Schattenwirtschaft und ihre radikale
Variante, die Kriminalität. Hunderte von ganz gewöhnlichen Bizarrerien
ortet und kommentiert der Autor dieses Buches auf originelle Weise.
So zum Beispiel auch eine monetäre Besonderheit: Nicht um die Maastricht-Kriterien
geht es da, sondern um die drei verschiedenen 100-Lire-Münzen,
die heute im Umlauf sind, alle drei an Grösse und Aussehen sehr unterschiedlich,
zur Freude der Sammler, der Kinder und der Umstandskrämer.
Höllenhunde streicheln
Sehr zurückhaltend ist Polaczek auf seinem eigenen Feld, der Kunstgeschichte.
Zum Glück des lesenden Laien beackert er nicht methodisch die Kirchen
und Museen. Freizügig hingegen sind seine Kommentare zu gesellschaftlichen
Fragen, verblüffend ist seine Kompetenz in der Tagespolitik. Wenn er
in wenigen Sätzen einen Politiker, eine Zeitung oder eine Partei so
trefflich beschreibt, dann liegt das nicht nur am guten Stil. Und der
Leser mag die Grosszügigkeit der «FAZ» bewundern, die sich einen derart
informierten Korrespondenten für die schönen Künste leistet, zumal
die Zeitung mit ihrer politischen Berichterstattung aus Italien nicht
gerade brilliert. Polaczek hat einen beneidenswerten Überblick, obwohl
er mittendrin steht im italienischen Leben. Er weiss, wie man hier
mit Handwerkern und Verkehrspolizisten verhandelt, wie man mit Museumswächtern
umgeht (oder: «wie man Höllenhunde streichelt») und wie man im hiesigen
Zeitungsdschungel sogar Bäume sehen kann.
Das Steckenpferd des Autors sind aber offensichtlich nicht die Fresken
von Giotto, sondern die Philologie und die Etymologie. Einfache Wörter,
die auch der schlichteste Pizzabäcker von Gelsenkirchen kennt, horcht
er bis in ihre Wurzelspitzen auf Eigentümlichkeiten ab und belehrt
über die Zusammenhänge. Zum Beispiel, dass im Italienischen häufig
das vermeintlich deutsche Wort «kaputt» verwendet wird, das aber seinerseits
nur die deutsche Verballhornung des italienischen «far cappotto» ist,
eines Begriffes aus dem Kartenspiel: der blamable «Schneider», die
totale Niederlage. Doch das wissen auch hierzulande nur die wenigsten
Chianti-Trinker und Philologen.
Franz Haas